WG117 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, zwischen Donnerstag, 19. und Samstag, 21. Januar 1911
Bewahre Dich mir denke
an dieses wichtigste, so
wirst Du mich nicht ver-
lieren.
Fest sich anzusaugen an
geliebte Lippen
Unsere Nächte
die Grazer Wagenfahrten
Toblach München Wien
d Stefansdomm [!], Haus
Moll.
Wie liebe ich Dich, Du wunder-
bare. Wirst Du stark
genug sein Dich aufzubewahren?
Heute vor einem Vierteljahr
drückten wir uns zum letzten
Male die Hand. Du hattest
Deine süße weiße Mütze auf
und sahst mich traurig
tapfer an; ich habe die Si-
tuation scharf vor Augen.
alte Briefe verbrannt
mein Fest!
griechische Vasen
die καλοι κ’αγαθοι
nur Philosophie u Gymnastik
Verehrung des menschlichen
Körpers. Wie ging das
heute verloren. Uns nicht
laß es uns pflegen
etwas unendlich großes
nirgendwo anders dagewesenes
die Nacktheit wurde nicht na-
turalistisch, sondern ethisch u
politisch aufgefaßt.
Mein Leben hat doch viel
Ziel bekommen, Du hast
mich emporgehoben, veredelt
____
Spanische Tänzerin
ohnehin weiche Sinne
wach gepeitscht
Du süßer Engel.
Ich bin toll vor Liebe.
Heut nacht träumte ich, der
Gipfel des Berges sei erklommen
ich stürmte bergab immer
schneller, immer schneller bis
wir uns in den Armen lagen
So Das trifft meine dauernde
Stimmung
Ich möchte nach Rom
reisen
Spanische Tänzerin
Bälle
Versprechen halten
jedes Deiner Worte ist mir
ein Heiligtum
Was arbeitest Du ist der
fertig? Ich
kann Dir nicht sagen wie
ich mich sehne Deine Werke
kennen zu lernen.
Wie geht es Dir?
mir glänzend
Architektonische Broschüren
\ich bin ausgehungert, aber/
Wir müssen ja arm sein
wenn das was uns gegeben wird
uns reich machen soll
Wenn einer was von uns
will u kann blos stammeln
so ergreift es mehr als flüssige
Rede
Du sagst „verzeih mir “ –
ich habe Dir nichts zu verzeihen nur
zu danken; wenn Du nicht
schreibst, bin ich traurig, ja,
aber alles hat in Dir seinen
guten und edlen Grund
Apparat
Überlieferung
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Quellenbeschreibung
3 Bl. (3 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM54 vom 26. Dezember 1910 (Verzeih mir […] Sonntag waren wir in der Generalprobe der Königskinder von Humperdingk [!]): Humperdinck-Oper […] Du sagst „verzeih mir Walter“ – ich habe Dir nichts zu verzeihen.
Datierung
Aufgrund der Passage Heute vor einem Vierteljahr drückten wir uns zum letzten Mal die Hand kann der vorliegende Briefentwurf zunächst auf den 19. Januar 1911 datiert werden, da sich WG am 19. Oktober 1910 in Paris von AM verabschiedete, bevor sie in die USA reiste. Da in WGs eigener Liste abgeschickter Briefe (WG92) außerdem am 21.1.11. der abgesendete Brief Nr. 19 vermerkt ist, wird als Datierungszeitraum für diesen Entwurf der 19. bis 21. Januar 1911 angenommen.
Themenkommentar
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Tim Reichert)
Fest sich anzusaugen – s. WG116 vom 9. oder 10. Januar 1911.
Unsere Nächte – vgl. WG118 vom 23. Januar 1911: Ich sitze ganz still am Schreibtisch und lasse wieder die ganzen Bilder unserer Liebe passieren; Unsere Nächte! die Wagenfahrten in Graz – Toblach – Wien – der Stefansdom – Haus Moll; welche Erlebnisse wurden in 3 Monaten gepreßt.
Grazer Wagenfahrten – s. WG1 von Mitte Juni 1910.
alte Briefe verbrannt – s. WG116 vom 9. oder 10. Januar 1911.
καλοι κ’αγαθοι – Die „Schönen und Guten“ (kaloi k’agathoi) bezieht sich ursprünglich auf , der für eine neue, urbane Elite innerhalb der Athener Gesellschaft den Ausdruck im Gegensatz zu den agathoi, den Guten bzw. Tüchtigen, entwickelte, s. etwa in . griff diesen Gedanken in der späteren Tintenversion WG118 vom 23. Januar 1911 noch einmal als καλὸ κ’ἀγαθα (recte: καλὸ ἀγαθο, kalo k’agatho) auf und erläuterte dabei genauer, was ihn daran faszinierte.
Spanische Tänzerin – möglicherweise Bezug zu dem gleichnamigen, 1906 verfassten von .
Humperdinck-Oper – hatte in AM54 vom 26. Dezember 1910 von der Generalprobe zur New Yorker Uraufführung der Opernfassung der von berichtet. Zeitnah fand am 14. Januar auch die deutsche Erstaufführung in Berlin statt (, S. 130). Ob an diesem Ereignis teilgenommen hatte, ist unbekannt.
Dehmelsche Gesang – vgl. AM48 vom 23. November 1910: „Licht in der Nacht“ – Dehmel. Jetzt arbeite ich an einem großen Gesang. – (Falke).
\ich bin […] aber/ – in Tinte.